Unsere Gesellschaft steckt voller unsichtbarer Regeln – Glaubenssätze und Denkmuster, die unser Denken, Fühlen und Handeln prägen. Sie zeigen sich im weiblichen Perfektionswahn, im männlichen Performancedruck und in Gewaltstrukturen, die Macht sichern und Ungleichheit stabilisieren.
In dieser Podcastfolge spreche ich mit Katharina Linnepe, Autorin von „Wenn das Patriarchat in Therapie geht“, über die Frage, wie tief diese Muster in unserem Gesellschaftssystem verankert sind – und warum es so wichtig ist, sie sichtbar zu machen. Braucht unser Gesellschaftssystem selbst eine Therapie – oder müssen weiterhin wir auf die Couch, anstelle des Patriarchats?

 

Gespräch mit Katharina Linnepe

Shownotes

  • Patriarchat
  • Wortherkunft
  • Nachgefragt Folge 52 über Feminismus – mit Katrin Rönicke
  • Nachgefragt Folge 73 über Gendermedizin – mit Sarah Hiltner
  • Artikel bei Zeit über die Beharrlichkeit des Patriarchats [Link]
  • Artikel bei Spiegel darüber, warum das Patriarchat so laut ist, weil es stirbt [Link]
  • Artikel bei Spiegel über männliche Gewalt und die Forderung, das Patriarchat zu stürzen [Link]
  • Artikel bei Spektrum mit einer Leseprobe aus „Wenn das Patriarchat in Therapie geht“ [Link]
  • Artikel bei Destatis über den Gender Pay Gap in Deutschland (Frauen verdienen pro Stunde durchschnittlich 16 % weniger) [Link]
  • Artikel beim World Economic Forum über den Gender Health Gap [Link]
  • Artikel bei Deutschlandfunk Kultur über Gender Planning und die Frage, wie Städte für alle gestaltet werden können [Link]
  • Paper über den Zusammenhang von patriarchalen Überzeugungen, Bindungsstilen und Aggressionsverhalten von Ritu et al. (2024).
  • Paper über den Unterschied zwischen ungesundem Perfektionismus und gesundem Exzellenzstreben bei Jugendlichen von Stoeber et al. (2024).
  • Paper über den Zusammenhang zwischen patriarchalen Glaubenssätzen, Konfliktvermeidung und ökonomischer Gewalt von Sánchez-Hernández et al. (2023).
  • Paper über internalisierte Misogynie und die psychischen Belastungen, die durch verinnerlichte patriarchale Normen entstehen von Shapiro et al. (2024).
  • Paper über den Gender Data Gap und seine Auswirkungen auf die Managementwissenschaften von Pullen et al. (2022).
  • Paper über geschlechtsspezifische Ungleichheiten in der medizinischen Forschung von Oertelt-Prigione et al. (2022).
  • Paper über den Gender Health Data Gap und die fehlende Evidenz bei frauenspezifischen Erkrankungen von Perez et al. (2023).
  • Paper über Unterschiede im Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum nach Geschlecht und wie Design-Interventionen dieses beeinflussen von Ceccato et al. (2021).
  • Paper über geschlechtsspezifische Unterschiede im Selbstmitgefühl, das zeigt, dass Frauen im Schnitt weniger Selbstmitgefühl und mehr Selbstkritik zeigen, von Yarnell et al. (2015).

Zusammenfassung zur Einordnung der Thesen in der Folge

  • Gender Pay Gap: Unstrittig ist, dass es eine Lücke gibt. Kontrovers diskutiert wird nur, wie groß der Anteil struktureller Diskriminierung ist – auch nach Bereinigung bleibt die Lücke bei ca. 6 % bestehen.
  • Gender Data / Health Gap: Sehr gut belegt, vor allem historisch. Heute gibt es in einigen Fachbereichen Fortschritte, dennoch zeigen systematische Reviews, dass Frauen weiterhin unterrepräsentiert sind – etwa bei Medikamentenstudien.
  • Innere Stimme / Selbstkritik: Studien zeigen, dass Frauen im Durchschnitt weniger Selbstmitgefühl und etwas mehr Selbstkritik haben. Die Unterschiede sind signifikant, aber eher klein – Persönlichkeit, Erziehung und mentale Gesundheit spielen eine große Rolle.
  • Patriarchat als Konzept: In Soziologie, Gender Studies und Politikwissenschaft ist der Begriff etabliert. In anderen Disziplinen wird häufiger von „Gender Inequality“ gesprochen – die Beschreibung der Ungleichheit ist also anerkannt, die Begriffswahl variiert.
  • Patriarchat als Erklärung „für alles“: Kritik gibt es daran, das Patriarchat als Generalschlüssel für gesellschaftliche Probleme zu nutzen. Seriöse Forschung betont Intersektionalität: Geschlecht ist eine zentrale Dimension von Ungleichheit, aber immer im Zusammenspiel mit Faktoren wie Klasse, Herkunft, Hautfarbe oder Sexualität.
NGF080 – Thema: Das Patriarchat und seine Glaubenssätze
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3 Gedanken zu „NGF080 – Thema: Das Patriarchat und seine Glaubenssätze

  • September 18, 2025 um 3:15 p.m. Uhr
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    Hallo zusammen,
    zum Thema pay-gap (Bezahl-Lücke) eine Anmerkung oder gar Frage.
    .
    Es gibt da unterschiedliche Angabern zur Höhe (zwischen 0 und 25Prozent).
    aber unter der Annahme diese Lücke ist vorhanden: aus welchem Grund entscheidet sich der Personalchef einer Firma dafür in dem Fall überhaupt Männer zu beschaftigen?
    .
    Mit einem 100Prozent Frauenanteil bei den Beschäftigten würden ja sofort die Personalkosten in Höhe dieser Lücke fallen.
    Oder andersrum: aus welchem Grund gibt der Firmenchef dem Personalchef keine Abmahnung wenn er trotz der Möglichkeit die Personalkosten zu senken darauf verzichtet?

    Antworten
  • September 24, 2025 um 8:07 p.m. Uhr
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    Als ihr davon spracht, dass das Patriarchat äußerst leistungsorientiert ist und man grundlegend erstmal zu liefern habe, kam mir der Gedanke: Ist das beim Kapitalismus nicht genauso? Und inwieweit sind die beiden gleich? Ist das eine nur ökonomisch und das andere gesellschaftlich? Oder ist beides beides? Und für den Fall, dass man eines oder gar beide loswerden wöllte, könnte man das eine ohne das andere? Oder wäre es beim Kapitalismus wie beim Patriarchat, dass es einflussreiche und sehr vokale Minoritäten gibt, die dem Rest wieder die eigene Meinung aufdrücken und die Majorität es einfach hinnimmt (analog zu unseren Wahlen jedesmal)? Kann man so überhaupt vorankommen? Und wie schafft man es, nicht ständig daran zu verzweifeln?

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    • September 25, 2025 um 8:08 a.m. Uhr
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      Danke dir für den spannenden Gedanken! Patriarchat und Kapitalismus haben tatsächlich Überschneidungen – beide sind stark leistungsorientiert und belohnen diejenigen, die „liefern“. Gleichzeitig sind sie aber nicht identisch: Das Patriarchat ist in erster Linie eine gesellschaftliche Machtordnung, die Hierarchien zwischen den Geschlechtern aufrechterhält. Der Kapitalismus dagegen ist ein ökonomisches System, das auf Profit, Wettbewerb und Marktlogik basiert. Aber: Die beiden sind eng miteinander verwoben. Kapitalismus profitiert von patriarchalen Strukturen, etwa weil Care-Arbeit überwiegend von Frauen unbezahlt geleistet wird oder weil der Gender-Pay-Gap ökonomische Ungleichheit stabilisiert. Andersherum erhält das Patriarchat durch kapitalistische Leistungslogiken zusätzlichen Druck und Legitimation. Deshalb ist es schwer, sich das eine ohne das andere vorzustellen.

      Und ja, das kann manchmal ziemlich frustrierend wirken. Um nicht daran zu verzweifeln, finde ich es hilfreich, den eigenen Handlungsspielraum zu sehen: Jede:r kann etwas beitragen – ob durch Mikrofeminismus im Alltag, durch Aufklärung, durch Engagement in einer demokratischen Partei oder andere Formen von Aktivismus. Es geht nicht darum, die Welt allein zu retten, sondern Schritt für Schritt Veränderungen anzustoßen.

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